Avrom und Itzig sind zusammen nach Paris ausgewandert und sitzen, ganz ohne Sprachkenntnisse, zum erstenmal in einem französischen Restaurant. Auf allen Tischen stehen kleine Dosen mit einer braungelben Salbe. Es muß etwas Kostbares drin sein, denn die Gäste nehmen nur winzige Portionen davon. Die beiden wundern sich, was das wohl sein könnte. (Senf ist in Osteuropa fast unbekannt. Dort nimmt man statt dessen eine Mischung aus geschabtem Meerrettich und roten Rüben.) Sie beschließen, die gelbe Kostbarkeit auszuprobieren. Sobald der Kellner wegschaut, wird einer von ihnen rasch einen Löffel voll aus dem Döschen schöpfen und in den Mund schieben. Itzig kommt als erster dran. Kaum hat er das gelbe Zeug im Mund,

da schießen ihm die Tränen in die Augen, und sein Gesicht wird dunkelrot.
„Was fehlt dir?“ fragt Avrom verwundert.
„Ach, weißt du“, erklärt Itzig ausweichend, „ich habe mich eben daran erinnert, daß mein Bruder voriges Jahr ertrunken ist.“
„Nebbich! Ja – und diese gelbe Sache? Ist sie gut?“
„Wunderbar!“
Also nimmt Avron auch einen Löffel voll in den Mund und fängt auch an zu weinen.
„Was weinst du?“ fragt Itzig scheinheilig.
„Ich weine darüber“, erklärt Avrom, „daß du im Vorjahr nicht mit deinem Bruder zusammen ertrunken bist.“